Gottes Sonnenbrille

von Karolin Fischer - Sommeranfang. Kalendarisch beginnt heute, am 21. Juni, die Sommerzeit. Für mich beginnt sie meistens schon ein paar Wochen früher - nämlich dann, wenn die Tage so lang und hell werden, dass die Sonnenbrille wieder zur treuen Begleiterin wird. Ich als Nicht-Brillenträgerin muss mich an das Gestell auf der Nase jedes Jahr aufs Neue erst gewöhnen. Sicherheitshalber liegt immer mindestens eine im Auto, in diversen Schubladen und natürlich griffbereit auf der Anrichte.
Jede dieser Brillen tut ihren Dienst auf eine etwas andere Art und Weise. Da gibt es die sehr dunklen, die das kleine Wölkchen am Himmel beim Durchschauen gleich zur Gewitterfront hochjubeln. Beliebt sind wohl auch die leicht rötlich getönten – damit sieht die Welt buchstäblich gleich freundlicher aus. Oder die oft bläulichen und verspiegelten Sportbrillen, die einem das Gefühl geben, doch alles unter Kontrolle zu haben.
Die Wissenschaft sagt, dass es wohl tatsächlich einen Effekt auf unsere Stimmung hat, wenn wir getönte Brillen tragen: So kann z.B. der „Rosarot-Effekt“ die Stimmung aufhellen – man schaut einfach freundlicher auf die Welt.
Bewusst oder unbewusst tragen wir alle – so glaube ich – das ganze Jahr solche Brillen, mit denen wir auf die Welt schauen. Wir tragen Brillen, die getönt sind mit Herzlichkeit, Neugier oder auch Misstrauen. Und je nach dem, durch welche Brille wir auf die Welt und andere Menschen schauen, begegnen wir ihnen anders.
Ich denke, auch Gott schaut auf seine Welt und auf uns Menschen durch eine solche Brille. Gottes Blick auf uns einer, der groß macht. Ein Blick, der mir und Ihnen zutraut, dass wir über uns hinauswachsen. Ein Blick, der sich mit freut, wenn wir das Leben genießen, uns entfalten. Gottes Blick entgeht nichts, aber er schaut voller Barmherzigkeit uns. Gottes Blick ist liebevoll: Sein Blick neidet nichts, trägt nichts nach, glaubt an mich, vertraut mir, freut sich nicht über mein Scheitern, sondern an meinem Glück (so ähnlich in der Bibel zu finden: 1. Korintherbrief, Kap. 13).
Es mit dem Glauben an Gott ernst zu meinen, heißt für uns Menschen, sich seine Brille aufzusetzen. Diese Brille, die nichts beschönigt, aber viel verzeihen lässt, die es gut mit den anderen meint, die wohlwollend urteilt. Stellen sie sich einmal eine Welt vor, in der wir alle durch Gottes Brille aufeinander schauen.
Das wär’s.