Statt sich anzupassen, widerstand er

Von Markus Weber - Pfarrer Christoph Hackethal starb am 25. August 1942 im Alter von 43 Jahren im Konzentrationslager Dachau. Er war nach seinem Schulbesuch in Hannover, dem Studium der Theologie in Münster und seiner Priesterweihe in Hildesheim im Jahr 1923 nach verschiedenen Stationen schließlich 1934 Pastor in Bündheim geworden. Zu seinem Seelsorgebereich gehörten neben Bad Harzburg auch Oker und Braunlage.
Schon vor 1933 hatte es Konflikte zwischen dem katholischen Milieu und den Nationalsozialisten gegeben, die im Land Braunschweig bereits seit 1930 an der Regierung beteiligt waren. Im Zusammenhang mit den Reichstagswahlen im Juli 1932 war die Bündheimer katholische Gemeinde des Nachts von SA-Leuten überfallen worden. Vor dem Harzburger Amtsgericht waren aber zwei Gemeindemitglieder angeklagt, die jedoch freigesprochen wurden. Die Ermittlungsverfahren gegen zehn SA-Leute wurden bis zur Einstellung 1933 verschleppt. So schrieb das katholische Braunschweiger Wochenblatt am 23. Oktober 1932 in düsterer Vorahnung: „Unschuldige Männer verhaftet man, die Übeltäter lässt man laufen! Wie wird es einmal im Dritten Reiche aussehen?! Deutsches Volk öffne Deine Augen und lerne, handle dementsprechend!“
Zwar hatte das Reichskonkordat zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich 1933 zunächst dazu geführt, dass die Freiheit des Bekenntnisses und die öffentliche Ausübung des Glaubens gewährleistet wurden. Gleichzeitig musste sich die Kirche auf religiöse und karitative Tätigkeiten beschränken, Priester durften nicht in politischen Parteien mitwirken und die Zentrumspartei löste sich auf. In den Jahren, als Pfarrer Hackethal in Bündheim zu wirken begann, wurden die staatlichen Maßnahmen gegen katholische Verbände verschärft, was er auch in Schreiben an die Bistumsleitung in Hildesheim vermerkte.
Mit dem Überfall Deutschlands auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs kamen neue Konfliktfelder hinzu. Besonders an der Frage der Seelsorge für Polen entzündeten sich Konflikte. Viele Polen waren auch rund um Harzburg als Zivilarbeiter oder Kriegsgefangene zur Arbeit gezwungen worden – z.B. 150 im sog. „Ledigenheim“ für die Grube Friederike in Bündheim oder auch 180 im Arbeitslager Zinkhütte in Harlingerode, weitere in verschiedenen Lagern in Oker. Sie wurden mit einem „P“ an der Kleidung gekennzeichnet, um sie entsprechend der rassistischen Ideologie von den sog. „Reichsdeutschen“ zu trennen und Kontakt zu unterbinden.
Pfarrer Hackethal beobachtete die Entwicklung genau, wie aus seiner Gemeindechronik des Jahres 1940 deutlich wird: „Das ganze Jahr stand unter dem Hammer der Kriegszeit, die durch die Stichworte Rückgeführte und Verwundete in Harzburg und Braunlage, Kriegsgefangene und polnische Zivilarbeiter in verschiedenen Lagern, häufiger nächtlicher Fliegeralarm ... gekennzeichnet werden kann.“
Für Christoph Hackethal waren die polnischen Arbeitskräfte Katholiken, die ebenso Anspruch auf Seelsorge hatten wie die Deutschen. So stellte er im Januar 1941 einen Antrag an den Bündheimer Bürgermeister, für Polen Gottesdienste in polnischer Sprache abhalten zu dürfen. Der Antrag wurde abgelehnt, erlaubt wurden Gottesdienste nur in deutscher Sprache, getrennt von den „Reichsdeutschen“. Predigten waren verboten. Für den Fall von Zuwiderhandlungen wurden staatspolizeiliche Maßnahmen angedroht.
Auch propagandistisch wurde das rassistische Menschenbild verbreitet. Es wurde vor dem Umgang mit den polnischen Zwangsarbeiter*innen gewarnt – auch in der Harzburger Zeitung, wie ein Beispiel vom 12. April 1941 zeigt. Unter der Überschrift „Keine Würdelosigkeit!“ hieß es: „Die gehobene Stellung des deutschen Landvolkes als Blutquell der Nation legt dem Bauern … wie überhaupt den Landbewohnern die Pflicht auf, sich seiner Würde als Deutscher ganz besonders bewusst zu sein. … Wo wir uns auch befinden, Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern gegenüber haben wir Abstand zu bewahren. Bedenken wir immer: Wer diesen Abstand nicht wahrt, handelt würdelos und schändet das Andenken derer, die in diesem Kampf um die Lebensrechte der deutschen Nation ihr Blut vergießen mussten.“
Pfarrer Hackethal hat sich trotz der Propaganda, Drohungen und Warnungen seinem christlichen Menschenbild verpflichtet gefühlt. Statt sich anzupassen, widerstand er dem nationalsozialistischen Zeitgeist. Dass er sich weiterhin um die polnischen Zwangsarbeiter*innen kümmerte, hat wohl wesentlich dazu beigetragen, dass er am 18. April 1941 von der Gestapo verhaftet wurde und in das Arbeitserziehungslager 21 in Salzgitter eingeliefert wurde – einem Lager übrigens, in dem viele osteuropäische Zwangsarbeiter inhaftiert waren, z.B. wegen angeblicher „Arbeitsbummelei“ ohne Gerichtsurteil, aber auch Deutsche wegen verbotenem Umgang mit Ausländern.
Pfarrer Christoph Hackethal wurde am 8. August 1941 in das KZ Dachau überführt, wo er am 25. August 1942 starb. Am 23. September 1942 konnte seine Urne auf dem Neuen Nicolaifriedhof in Hannover beigesetzt werden. Im Eingangsbereich der St. Gregorkirche in Bündheim wird an den Pfarrer mit der Gefangenennummer 26888 aus Dachau erinnert.
Uns heutigen Menschen ist das Beispiel Christoph Hackethals Mahnung, mit den Fremden in unserem Land freundlich und menschenwürdig umzugehen.